Sonntag, 16. November 2008

Pressetext der IG-BBH - Pressetext der IG-BBH

Berlin- Brandenburger Hufbeschlagschmiede gründen Interessengemeinschaft

Am Vorabend des Tages der deutschen Einheit fanden sich zahlreiche Hufbeschlagschmiede aus allen Teilen Berlins und Brandenburgs sowie eine Reihe interessierter Gäste in Brieselang ein, um eine „Interessengemeinschaft Berlin- Brandenburger Hufbeschlagschmiede“ (IG-BBH) zu gründen.

Vorausgegangen waren der Gründung bereits eine Reihe von regionalen Schmiedestammtischen, auf denen die speziellen Probleme einer Berufsgruppe diskutiert wurden, deren Arbeitsweise in der Regel eher individuell als kollektiv angelegt ist. Den Initiatoren Olaf Peter und Volker Schurig ist es zu verdanken, dass sich die Hufbeschlagschmiede Berlins und Brandenburgs nun gemeinsam um Fragen der Aus- und Weiterbildung sowie der weiteren Systematisierung des Handwerks bemühen wollen. Urlaubs- und Krankheitvertretungen der Kollegen untereinander, in der Vergangenheit oft Anlass von Unmut, sollen ebenfalls Gegenstand gemeinsamen Vorgehens sein.

Nach angeregten Diskussionen, in denen der Rahmen für die zukünftige Zusammenarbeit gelegt wurde, fand die Wahl des Vorstandes statt; Olaf Peter, Hufbeschlaglehrmeister aus Gransee wurde von den anwesenden 20 Gründungsmitgliedern einstimmig zum ersten Vorsitzenden gewählt. Mathias Stephan, Mathias Polzfuß und Volker Schurig erklärten sich bereit, die Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden, Schatzmeister und Schriftführer anzunehmen um den Vorstand tatkräftig zu ergänzen.

Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist die erfolgreiche Absolvierung der staatlichen Prüfung als Hufbeschlagschmied, damit ein hohes Niveau im Umgang mit den uns anvertrauten Pferden auch in der Zukunft gewährleistet und ausgebaut werden kann. Damit ist ein längst überfälliger Schritt unternommen worden, der die Arbeit der staatlich geprüften Hufbeschlagschmiede Berlins und Brandenburgs auf eine neue Grundlage stellt und sowohl für unsere Kunden als auch für die einzelnen Kollegen positive Effekte für die Zukunft erwarten lässt.



Dirk Ludwig

Samstag, 16. August 2008

Ehrbares Handwerk und Moderne

©2008/Dirk Ludwig


Der Hufbeschlag ist ein traditionelles und zweifellos ehrbares Handwerk. Er ist um die 2000 Jahre alt und hat sich in dieser Zeit, was die konkrete Technik selbst betrifft, kaum verändert. Darstellungen aus dem Sachsenspiegel im 11. Jahrhundert zeigen Arbeitsgänge, die auch heute noch in dieser Art vom Hufschmied durchgeführt werden. An der Frage jedoch, ob das Schmieden und mithin der Hufbeschlag eine Kunst sei scheiden sich die Geister. Eine Kunst, urteilte ein altes dänisches Buch sei das Schmieden nicht, schwierig schon, aber keine Kunst. Wir wollen das Buch nun nicht nachträglich verreißen aber es ist ein merkwürdiges Urteil. Vielleicht kannte der Autor keine Werke der Vergangenheit, vielleicht sah er nie die Vollkommenheit eines Schwertes aus der Hand eines Meisters oder hat er nie das Göttliche in einem vollkommenen Werkzeug schauen dürfen? Kunst ist die Übertragung der Empfindung des göttlichen Elementes auf die konkrete Welt des Menschen. In einem Bild, einer Kantate oder einem Gedicht ist dieser konkret werdende Blick des Schaffenden auf das, was er und wie er es erblickt verarbeitet. Und wenn der Schmied nun ebenso vorginge? Seine tiefste und reinste Empfindung in die Klinge eines Messers einarbeitete? Entstünde dann nicht auch ein Werk, dessen Formensprache uns zu dem Eingeständnis nötigte, es sei Kunst?!

Während das ehrbare Handwerk im Grunde immer ein schöpferischer Prozeß sein muß, bleibt die Maschinenarbeit in der bloßen Tätigkeit stecken, in der jede Schöpfung ausgeschlossen ist, weil der Arbeiter nur befüllt oder leert und den Prozeß selbst nicht mehr bestimmen kann. Dem Schmied ist sein Amboß heilig, weil er auf ihm sich selbst erkennen kann, dem Maschinenarbeiter ist seine Maschine Mittel zum Zwecke des Broterwerbs. Die Fabrik der Moderne schuf durch ihr Bedürfnis nach regelmäßiger Routine des Arbeiters den Gegensatz zur Tradition des Handwerks, dessen Arbeit zwar in gewissen Fällen auch Routine verlangt, aber diese in einen anderen Bezug zur Wirklichkeit setzt. Ein Schmied schmiedet Nägel mit der Hand und jeder dieser Nägel ist ein Unikat, weil die Empfindungen des Schmiedes sich in diesem Werkstück spiegeln. In einer Fabrik ist die Empfindung des Arbeiters einerlei, jeder Nagel ist gleich! Kein Ende ein wenig dicker oder schmaler, keine Kante etwas runder oder eckiger. In der Moderne entsteht der Gegensatz zwischen Handwerk und Maschinenarbeit durch die Gier des Kaufmanns und des Konsumenten. Beide, Kaufmann und Konsument ziehen hier an einem Strang und, obwohl es nicht in ihrem Interesse liegt, verändern sie und schaffen ein neues Maß.

Im ehrbaren Handwerk galt seit alters her der Grundsatz, wo zwei durch Arbeit satt werden können, sollen auch zwei diese Arbeit erledigen, in einer Fabrik gelten diesbezüglich andere Gesetze. Wo noch mehr mit weniger Arbeitern produziert werden kann, muß das geschehen, weil die Fabrik, die eine Wurzel in der Werkstatt hat, eine andere in der Gier, keine innere Struktur mehr aufweist, die dem Menschen entspricht und sie dadurch dem Menschen entfremdet ist und ihn selbst, wo er auf sie angewiesen ist, entortet. Ganz anders im traditionellen Handwerk. Der Ort ist immer der Mensch, nicht die Maschine. Es bleibt dem Meister überlassen den Rhythmus der Arbeit mit dem Handhammer anzustimmen und die Gesellen stimmen als Zuschläger in das nun anhebende Lied der Schmiede ein. Es ergibt sich aus dem Willen und Können des Meisters das Lied, nicht aus dem Bedürfnis der Maschine oder des Kaufmanns, der sich die Maschine dienstbar macht.

Kaum verwunderlich kommen aus dem angelsächsischen Raum Überlegungen, wie der Profit für Hufschmiede am besten zu erhöhen sei. Es werden Werkzeuge erfunden oder so angepaßt, daß auch der Hufschmied ganz allein arbeiten kann, er benötigt keinen Helfer mehr. Das ist nützlich in Zeiten, in denen die Kaufkraft allgemein stark zurückgeht, gleichzeitig zerstört es jedoch soziale Bindungen, es unterwandert das alteuropäische Prinzip des Fides und kehrt es um in die allgemeine Felonie, die heute allerorten die Runde macht. Wenn der Meisterzwang zerstört wird gibt es einen kurzfristigen Effekt, weil mehr "Handwerker" ganz schnell ein "Geschäft" eröffnen können und es gibt einen langfristigen Effekt, der darin besteht, daß soziale Strukturen zerstört und auf das Substitut Konsum gelenkt werden. Ganz abgesehen davon macht die Pfuscherei, einmal mehr von Nordamerika ausgehend das größte Geschäft. Sie wissen schon, jeder kann jedes Werkzeug kaufen und selbst an allem basteln, ob er es kann oder nicht ist ohne Belang, weil es nicht um ein haltbares Werk geht. Später werden auch die Werkzeuge selbst immer billiger produziert, damit das entstehende Werk so schnelllebig wird, wie es sein Werkzeug auch ist. Es wird die private Pfuscherei zur neuen Kultur erhoben und die allgemeine Kulturlosigkeit gefördert.

Dienstag, 12. August 2008

Der Rückfall in die Kleinstaaterei oder was bringt uns das Urteil des BVG in Sachen Hufbeschlag?

©2008/Dirk Ludwig

Seit vor kurzem das Bundesverfassungsgericht das neue Hufbeschlagsgesetz in Teilen verwarf, findet der schrille Jubel interessierter Kreise kaum noch ein Ende. Verständlich, sie profitieren als einzige und überdurchschnittlich von dieser Entscheidung. Doch der Reihe nach. Kennen Sie die Situation nach dem 30jährigen Krieg in Deutschland ein wenig? Nein?! Dann lassen Sie uns unsere Betrachtung des Urteils mit einer kleinen Zeitreise beginnen.

Wie im Hufbeschlag jener Zeit war die Situation im Ganzen in Deutschland verworren und ohne irgendeine bindende Ordnung. Jeder kleine Fürst, oder wer sich für so etwas ähnliches hielt, konnte sein eigenes Interesse über das allgemeine Interesse stellen. Jeder Zwergstaat hatte eigene Gesetze und Steuern, Handwerker konnten ausbilden wie sie wollten, weil die Zünfte praktisch nicht mehr bestanden und jeder Dorfschmied beschlug Pferde, selbst dann, wenn er noch nie etwas derartiges gelernt hatte. Die einzige Verbindlichkeit bestand im Großen und Ganzen darin, daß nichts als verbindlich galt. Der Schaden, der damit den Pferden zugefügt wurde war immens und veranlaßte zahlreiche Zeitgenossen Goethes zu galligen Kommentaren.

Daß diese Verhältnisse nach einer Klärung verlangten versteht sich von selbst. Die Klärung kam sowohl im politischen Feld wie auch im Hufbeschlag, aber wir wollen hier lediglich darauf hinweisen, daß die Situation des Hufbeschlags nicht besser gewesen ist als die gesamte politisch-wirtschaftliche Situation in Deutschland und keinen Exkurs in Geschichte geben. Der Hufbeschlag selbst wurde erst durch das Wirken Graf von Einsiedels und dem Erlaß verbindlicher Ordnungen für das ganze Land auf ein vertretbares Niveau gehoben. Vor allem bedingt durch einheitliche Richtlinien zur wissenschaftlich fundierten Ausbildung der jungen Hufschmiede wurde dazu beigetragen, daß sich das neue Niveau in ganz Deutschland durchsetzen konnte. Heute haben wir eine etwas kompliziertere Situation im Hufbeschlag und doch gleicht sie jener Zeit ohne Verbindlichkeit.

Die schrillen Töne des Jubels – sie klingen wie das Pfeifen im Walde – sind freilich mehr als berechtigt: Sie wissen ganz genau, daß sie lediglich gegen ein lieblos ausgearbeitetes Gesetz gewonnen haben, nicht durch das überzeugende Argument und damit steht uns eine weitere Runde ins Haus, die kommen wird, weil sie kommen muß. Das Urteil des BVG zementiert eine Situation in Deutschland, die jener aus der Zeit vor Einsiedels Wirken gleicht. Jeder kann machen was er will, jede noch so absurde Hypothese kann in bare Münze verwandelt werden. In dreißig Tagen zum Hufschmied, Prüfung außerhalb Deutschlands, bezahlen fürs Bestehen, alles kein Problem! Die Kleinstaaterei hat uns eingeholt und damit erneut Verhältnisse geschaffen, die der Klärung bedürfen...

Sonntag, 10. August 2008

Aus dem Leben eines Hufschmiedes

Dirk Ludwig - Bilder


Joseph von Eichendorffs Novelle "Aus dem Leben eines Taugenichts" soll hier jedenfalls nicht Pate stehen, auch wenn die Überschrift gerade dies nahe zu legen scheint...

Die Berliner Lehrschmiede

©2008/Dirk Ludwig


Auf Betreiben Graf von Einsiedels zur Systematisierung des Hufbeschlagswesens wurde die erste Lehrschmiede 1860 für das damalige Königreich Preußen in Milkel (Oberlausitz) eröffnet. Das war ein entscheidender Impuls für den Hufbeschlag in ganz Deutschland, hier wurde der weitgehenden Unordnung bei der Ausbildung und Ausübung des Gewerbes, die Überlegung einer zentralen Richtlinie entgegengesetzt. Mit großem Erfolg, denn wenig später kam es tatsächlich zur Schaffung einer zentralen Lehrschmiede in Berlin. Noch war diese Ausbildungsstätte dem Militär vorbehalten, aber bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts änderte sich das Grundlegend. Nun wurden auch zivile Schmiede an der Lehrschmiede zugelassen. Man erkannte, daß neben der militärischen Bedeutung auch ein enormes wirtschaftliches Interesse an der Gesundheit des Pferdes bestand. Dieses Interesse hat sich inzwischen in ein persönliches Interesse der Pferdeliebhaber in die Gesundheit ihrer Tiere gewandelt. So trägt jede Zeit dazu bei, daß sich unterschiedliche Tendenzen durchsetzen und es bleibt der Fortschritt einzelner Teile immer auch eine Entwicklung des Ganzen.

An der Lehrschmiede in Milkel wurde zur Aufnahmeprüfung seinerzeit verlangt, daß ein komplettes Hufeisen in nur zwei Wärmen geschmiedet wurde! Darüber gibt eine Verordnung Auskunft, die noch heute an der Tür in der Schmiede hängt. Nichts durfte fehlen: Falzen, Stempeln und Lochen, Biegen, Rändern, Aushauen und Kappe anziehen waren nach Vorgabe des Meisters zu bewältigen. Heute steht zwar etwas mehr Zeit zur Verfügung, dafür muß aber noch ein Stab auf die korrekten Endmaße des Hufeisens abgeschmiedet werden. Alles in allem keine leichte Aufgabe, denn die Aufnahmeprüfung in Berlin dauert einen ganzen Tag und umfaßt neben den Tätigkeiten des Hufschmiedes, das Schmieden eines Hufeisens vom Stab sowie ein Schmiedestück aus dem klassischen Schmiedebereich nach Vorgabe.

1787 bekam der Oberstallmeister Graf von Lindenau den Auftrag von Friedrich Wilhelm II. zur Gründung einer Einrichtung zur Ausbildung von Veterinären in Berlin. Die Ursachen bestanden zum einen darin, daß die Verluste an Maultieren und Pferden während des siebenjährigen Krieges immens waren und zum anderen im wiederholten Auftreten von Seuchen. Bereits in dieser Zeit befasste man sich dort auch mit dem Hufbeschlag. Bis zu Graf Einsiedels Vorstoß sollten jedoch noch einige Jahre ins Land gehen. Dennoch waren diese Jahre für den Hufbeschlag keine verlorenen Jahre, denn hier liegen die Wurzeln für die später wirksam werdende wissenschaftliche Forschung in Berlin.

Mit der 1868 an der Tierärztlichen Hochschule gegründeten Heereslehrschmiede Berlin auf das engste verbunden sind berühmte Namen im Hufbeschlag. Vielen bekannt dürfte der Autor des heutigen Standardwerkes für die Ausbildung der Hufschmiede „Der Huf“ Hermann Ruthe sein, der die Berliner Lehrschmiede nach dem Krieg leitete. Weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, daß Prof. Ruthe das „Handbuch des Hufbeschlags“ von Theodor Bauer überarbeitete und nach dem Kriege als eben dieses heutige Standardwerk verlegte. Bauer seinerseits überarbeitete das 1887 in Berlin erschiene Köstersche Lehrbuch des Hufbeschlags. Hubert Kösters selbst war als Korps-Roßarzt und technischer Leiter der Berliner Heereslehrschmiede an der Einführung des preußischen Heereshufeisens C87 beteiligt, das später von dem verbesserten Heereshufeisen W32 abgelöst wurde. Dieses Heereshufeisen W32 ist auch heute noch die Grundlage unserer modernen Hufeisen. Allein diese Auswahl zeigt, welche Innovationen von der Berliner Lehrschmiede ausgingen.

Mit der Gründung der Friedrich-Wilhelm-Universität (später Humboldt-Universität) und der Eingliederung der Tierärztlichen Hochschule in die Universität wurde auch die Heereslehrschmiede Berlin in eine zivile Lehrschmiede überführt, in der nun der gesamte Nachwuchs an Hufschmieden unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten geschult werden konnte. Grundlage dafür waren Gesetze, die den Hufbeschlag einheitlich regelten. Neben dieser bedeutendsten Lehrschmiede im damaligen Preußen gab es in Berlin auch noch eine Lehrschmiede der Polizei.

Der Gründer und erste Leiter der Berliner Militärlehrschmiede Friedrich Dominik, der übrigens an der Einsiedelschen Schmiede in Milkel die dortige Technik im Hufbeschlag lernte, wie Kösters Korps-Roßarzt, führte die ganzheitliche Beurteilung des Pferdes in die Ausbildung der Schmiede ein und seine Lehren wurden unter anderem von Theodor Bauer und Hermann Ruthe an der Berliner Universitätslehrschmiede weitergeführt. Auch heute noch wird nach diesem überlieferten Modell das Pferd beurteilt. Dominik schuf freilich nichts vollkommen Neues, er bezog sich auf wesentlich ältere Lehren, die aber nach dem 30jährigen Krieg, vor allem auf Grund der Verhältnisse in Deutschland weitgehend in Vergessenheit gerieten.

Die Sammlung des Schmiedemuseums der Humboldt-Universität zu Berlin umfaßt Hufschutz aus 2000 Jahren. Sie wurde 1790 mit der Gründung der Thierarzeneischule begonnen und umfaßt heute noch eine der exklusivsten Sammlungen dieses Metiers. Darunter sind 2000 Jahre alte chinesische Hipposandalen ebenso zu finden, wie Beschläge aus aller Welt. Es gibt seltene Klauenbeschläge und Hufeisen für spezielle Zwecke, die zum Teil über 1500 Jahre alt sind. Werkzeuge zum Huf- und Klauenbeschlag sowie Präparate rund um den Huf runden die Sammlung thematisch ab. Eine letzte öffentliche Ausstellung eines kleinen Teils der Sammlung fand im Martin Gropius Bau 2001 statt. Das Schmiedemuseum selbst war bis vor ein paar Jahren noch öffentlich zugänglich, nun aber soll der Zugang für immer versperrt bleiben und die Sammlung in den Archiven verstauben.

Auch heute werden in der Berliner Lehrschmiede die klassischen Mustereisen geschmiedet. (siehe Bild) Nicht alle finden in dieser Form noch immer Verwendung, was aber der zukünftige Schmied bei der Herstellung lernt ist äußerst hilfreich beim späteren selbstständigen Beschlag. Dabei geht es um die konkrete Fähigkeit, alles aus einem industriell hergestellten Hufeisenrohling herauszuholen, was in ihm steckt. Es geht darum, einen Arbeitsgang, ein Verfahren oder eine technische Finesse beim Schmieden zu fördern, nicht um das traditionelle Hufeisen an sich. Die Ausbildung der Hufschmiede an der Berliner Lehrschmiede orientiert sich noch immer weitgehend an den Grundsätzen, die in der Vergangenheit erarbeitet wurden und schließt neue Materialien zum Hufschutz selbstverständlich mit ein. Damit bleibt die Berliner Lehrschmiede auch heute noch eine gute Wahl für den zukünftigen Hufschmied. Mehr noch, ich persönlich ziehe die alles fordernde, harte Ausbildung an einer nicht kommerziell orientierten staatlichen Lehrschmiede jedem anderen Modell vor.

Wohl wissend, daß die Berliner Lehrschmiede besonders von jenen wenig geschätzt wird, die das Vorschmieden nicht bestehen konnten, oder anderen, die noch nie für wenigstens ein paar Tage dort gelernt haben, bleibt festzustellen, daß die große preußische Schmiede-Tradition auch heute noch lebendig ist. Sie zog nach der Wiedervereinigung Deutschlands von der Humboldt-Universität mit ihren Trägern in die Freie-Universität um. Ich selbst bin stolz, als Absolvent der Berliner Lehrschmiede ein Teil dieser altehrwürdigen Tradition zu sein. Nichts gibt es geschenkt, man kann es nur durch Blut, Schweiß und Tränen erwerben um es am Ende tatsächlich zu besitzen! Keine Aussage ist zutreffender für die Berliner Hufbeschlaglehrschmiede.

Samstag, 9. August 2008

Von der klassischen Lehre des Hufbeschlags

©2008/Dirk Ludwig

Kennen sie das Gleichnis vom kaukasischen Kreidekreis? Bert Brecht hat hier ein klassisch chinesisches Thema zu einem modernen Theaterstück verarbeitet, das uns auch heute noch viel zu erzählen hat. Unvergessen bleibt die Weigel in der Hauptrolle am Deutschen Theater in Berlin. Zwei Frauen streiten erbittert um ein Kind. Nicht um seine Liebe, vielmehr um das Recht, es mit jener Fürsorge zu bedenken, die es erwachsen werden läßt. Die eine der Frauen, die leibliche Mutter schreckt vor der letzten Konsequenz, dem Zerschneiden des Kindes, damit jede eine Hälfte bekomme, zurück, während die andere, falsche Mutter, die Verletzung des Kindes aus egoistischen Motiven in Kauf nimmt. Wie die beiden um das Kind streitenden Frauen sind heute die klassische Lehre des Hufbeschlages und sogenannte alternative Methoden die Antipoden, die um die Gunst des Kunden buhlen. Die dabei vorgebrachten Argumente lassen sich grob in zwei Kategorien als These und Antithese einteilen. Fachliche Wertungen wollen wir bei der Einteilung zunächst unberücksichtigt lassen und auf sie etwas später eingehen.

Als Anhänger der These finden wir Vertreter der klassischen Lehre. Es sind zumeist Hufschmiede und Tierärzte, die ihre Ansicht mit der wissenschaftlichen Erforschung des Gegenstandes begründen und daraus ihre gefestigte Position herleiten. Sie gruppieren sich vor allem um die Forschungs­einrichtungen der Universitäten und deren Lehrschmieden. Auf der Seite der Antithese finden sich eine Reihe von Personen zusammen, die ihre Positionen als Gegensatz zur klassischen Lehre begreifen und gerade aus diesem Gegensatz einen wesentlichen Teil ihrer Argumentation herleiten. Was sie installieren wollen ist eine, wie es Hans Freyer einmal nannte, „faule Dialektik“, indem sie behaupten, die von ihnen vertretene Antithese sei bereits die vollkommene Synthese. Blickt man jedoch hinter die Fassade ihrer Argumente fällt auf, daß weder etwas Neues geboten wird, noch, daß es sich um einen ganzheitlichen Ansatz handelt.

Da wir es bei einem solchen Thema mit Bildern und Begriffen und im weitestem Sinne mit Philosophie zu tun haben, wollen wir zunächst einmal den Begriff selbst klären. Philosophie heißt, dem eigenen Willen, Wissen zu erlangen und zu vervollkommnen einen fundierten Weg zu geben. Sie ist kein abgeschlossener Prozeß, vielmehr zwingt uns das Leben selbst zur ständigen Reflektion des einmal Gelernten. Das zeigt sich auch und gerade im Bereich des Hufbeschlages, der durch die fortwährende Vertiefung von Wissenschaft und Forschung einer steten Entwicklung unterworfen ist. So ist falsch anzunehmen, der Hufschmied wolle lediglich einen Beschlag mit Eisen vornehmen, weil er nichts anderes weiß oder wissen will, wie es falsch ist, zu behaupten, die Ablehnung des Eisens als Hufschutz sei besonders fortschrittlich. Beide Denkmodelle sind als halbe Wahrheiten, nur Antithesen zu bereits bestehenden Thesen, die die jeweilige Gegenseite beerben wollen. Es liegt auf der Hand, daß eine Antithese immer nur den Gegensatz darstellt, aber kein neues Niveau repräsentieren kann. Der Pazifist ist in diesem Sinne nichts neues, vielmehr er ist nur der Gegenkrieger, welcher in dem Augenblick zum Totalen neigt, indem seine Existenz von der Gegenseite beobachtet wird. So verhält es sich heute auch mit der Hybris, die um den klassischen Hufbeschlag entstanden ist.

Die Vorwürfe, welche den Hufschmieden mit Vehemenz vorgetragen werden, reichen von einem Ende der Skala bis zum anderen Ende und schrecken auch vor purer Übertreibung nicht zurück. Man wiederholt oft und gerne den Vorwurf, ein Mann (Hufschmied) hätte das Pferd mißhandelt, oder auch, der Hufschmied ist Schmied aus Passion und deshalb nicht in der Lage über einen Hufschutz nachzudenken, der nicht aus Eisen besteht. Ohne es zu merken besorgen sie damit das Geschäft der „falschen Mutter“. Noch näher darauf einzugehen ist im Grunde nutzlos, und doch läßt sich folgendes generell feststellen: In der alten Literatur, vor allem aus Deutschland lassen sich all die heute als besonders modern gepriesenen Thesen bereits nachlesen, was einiges mehr über den allgemeinen Wissensstand von vor einhundert Jahren aussagt, als wir es heute gerne wahrhaben wollen. So schrieben C. Balussa im Jahre 1828 und Christoph de Bach 1834 je eine Abhandlung über den für Mensch und Tier streßfreien Beschlag ohne Zwang, wie H. Möller im Jahre 1907 über neue Materialien im Hufbeschlag nachdachte und in einem Kommentar zur Prüfungsordnung für Hufbeschlagschmiede veröffentlichte. Die darauf folgende Rezeption dieser Gedanken in der frühen Fachliteratur zeigt, daß es sich dabei um bereits tradiertes Wissen handelte.

Sehen wir uns als ein konkretes Beispiel das sogenannte Banana-Eisen aus den USA einmal genauer an. Dieses spezielle Hufeisen wurde anläßlich einer Hufbeschlagstagung an der Berliner Lehrschmiede dem Fachpublikum vorgestellt. Es vereint eine starke Zehen- und Trachtenrichtung, die die Bewegungen der Pferde erleichtern sollen. Dabei handelt es sich auf den ersten Blick um eine Innovation die den Hufbeschlag revolutionieren soll. Auf den zweiten Blick, einem Blick in die Archive des Hufbeschlages zeigt sich jedoch, daß dieses Eisen bereits in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Deutschland probiert und verworfen wurde. Es ergaben sich größte Probleme in den Gelenken der Pferde, weil das Lebewesen Pferd eben nicht still steht, sondern sich auch im Stand bewegt.

Kunststoffbeschläge sind ebenfalls bereits in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Deutschland produziert und angewendet worden. In jener Zeit waren die Kunststoffe den Belastungen als Hufschutz jedoch nicht gewachsen, so daß sie wieder abgesetzt werden mußten. Der Fakt allerdings bleibt bestehen und gibt uns einen tiefen Einblick in das tatsächliche Wesen des traditionellen deutschen Hufbeschlages. Es gelang viele Jahre nach dem Krieg Herrn Dallmer die alten Gedanken aufzugreifen und dank neuer Technologien und Materialien, die nun zur Verfügung standen, einen Hufschuh zu produzieren, der einen umfassenden Hufschutz gewährleisten kann. Die Verbindung von Kunststoff und Eisen wurde ebenfalls in Deutschland entwickelt und sehr früh bereits industriell hergestellt. Auch hier zeigt sich wie innovativ der Hufbeschlag in Deutschland verstanden wurde.

Um so unverständlicher scheint daher das heute üblich gewordene Gezeter der Einen gegen die Anderen. Leider auch hier nur auf den ersten, flüchtigen Blick! Bei genauerem Hinsehen stellt man recht schnell fest, daß es sich tatsächlich fast immer um raffinierte Reklamestrategien neuer Produkte handelt, welche die tradierten Methoden diskreditieren um Marktanteile für ihrem Wesen nach alte Traditionen und Erfahrungen in nun neuem Gewande zu erschließen. Der uns so verkaufte Fortschritt ist deshalb ein Rückschritt, weil er im Halbwissen der Grenze des eigenen Geschäftes hängen bleibt. Es schwindeln sich die Anhänger der Antithese die Welt mit einem Trick zurecht, indem sie Versatzstücke der klassischen Lehre, aufbereitet und angepaßt als völlig neue Denkmodelle, zu verkaufen suchen. Was aber macht die klassische Lehre tatsächlich aus?

Die klassische Lehre des Hufbeschlages macht einen ganzheitlichen Vorschlag zur fachgerechten Hufzubereitung, indem – in unserem Falle – das Pferd einschließlich seines Lebens in der Welt des Menschen als Gesamtheit gesehen, verstanden und für den Hufbeschlag beurteilt wird. Noch einmal: Als Hufbeschlag werden alle Verrichtungen am Huf verstanden, so auch die Barhufzubereitung, auch bekannt als das Ausschneiden, Auswirken oder Korrigieren! Ausdrücklich wird demnach in der klassischen Lehre die Umwelt, in der das Pferd lebt sowie seine Aufgabe als Reit- Zucht- Trag oder Zugtier in die Bewertung einbezogen und mit den Gegebenheiten des Körpers (Fütterungszustand, Verhältnis des Körpers zu den Hufen und den Gliedmaßen, die Stellung derselben usw.) zu einer Aufgabe für den Schmied verdichtet. Spätestens mit dem letzten Satz sollte deutlich geworden sein, was in diesem Text mit dem Begriff ganzheitlich gemeint ist. Viele hervorragende Vertreter der klassischen Lehre weisen zurecht darauf hin, daß ein Hufbeschlag nicht genügen kann, wenn man das Pferd nicht als Gesamtheit begreift. Zu dieser Gesamtheit gehört das Lebewesen als geliebter Kamerad ebenso wie das Fluchttier. Beide, das Pferd als Kamerad und als domestiziertes Fluchttier, sind demnach umfassend in der Bewertung zu berücksichtigen.

Etwas anders sehen das die sogenannten neuen Theorien, deren wesentliche Vertreter die klassische Lehre als völlig falsche Denkmethode ablehnen und deshalb etwas „ganz Neues“ vorschlagen. Dieser „neue Ansatz“ gerät jedoch zu kurz, weil er den Huf separiert von allen übrigen Bedingungen betrachte und deshalb im Ungefähren stecken bleiben muß. Der Huf ist ein Teil des Körpers und der Körper ein Teil der Welt. Demnach müssen alle Bedingungen in die Beurteilung einbezogen werden, die uns unsere (Um)Welt stellt. Die „neuen Theorien“ werden dagegen an Wünschen und Vorstellungen ausgerichtet und konsequent die so erdachte Vorstellung auf die Bearbeitung der Hufe übertragen. Dabei kommen dann fachliche Besonderheiten heraus, deren Aufzählung wir uns an dieser Stelle ersparen wollen. Kurz gesagt: Sie schaffen neue Bilder und Begriffe ohne die klassische Lehre wirklich verstanden zu haben oder es zumindest zu wollen. Sie lehnen die klassisch-ganzheitliche Lehre des Hufbeschlages aus rein wirtschaftlichen Gründen ab. Ich fühle mich bei deren Argumentation oft an den Pinguin des Zeichners Uli Stein erinnert, der mit säuerlicher Mine das Schild mit der Aufschrift „Dagegen“ durch die Welt trägt.

Auffallend ist weiterhin, daß es sich bei der Antithese nahezu ausnahmslos um Theoreme aus dem angelsächsischen Raum handelt, die zur Begründung dieser „neuen Lehre“ herangezogen werden, deren Ursachen und Denkmodelle jedoch weitaus tiefer reichen. Um hinter die bunte Fassade blicken zu können, müssen wir uns von dem Philosophenkaiser Marc Aurel helfen lassen. Er wies darauf hin, daß die Vereinfachung jene Methode ist, die uns hinter die Dinge blicken läßt, um deren wahres Wesen zu erkennen. Die moderne Diskussion ist die unerträgliche Manifestation einer Zeit, die sich selbst nicht mehr versteht und also nicht mehr das Wesentliche erkennen kann. Das Schlachtfeld ist der Hufbeschlag, der Kampf jedoch ein anderer...

Willkommen in der Welt meiner Gedanken

Dieser Blog stellt eine direkte Fortführung meiner Webseite dar, welche mit Gedanken zu verschiedenen Themen aus der Welt des Hufbeschlags nicht überfordert werden soll.

Da die Idee dieses Blogs spontan, man könnte meinen, aus einer "Laune" heraus, entstanden ist, bleibt sein weiterer Weg offen. Ob ich die Zeit zu einer ständigen Veröffentlichung finden werde ist zur Stunde fraglich.

Ich bemühe mich zum mindesten eine aktuelle Lage, die aus verschiedenen Perspektiven zusammengesetzt ist zur Diskussion zu stellen.

Fühlen Sie sich zur Kontroverse eingeladen, bleiben Sie dabei aber sachlich und fachlich korrekt. Alle Kommentare, welche diesem Kriterium widersprechen werden ohne weitere Diskussionen gelöscht, die andere Auffassung jedoch respektiert.