Samstag, 16. August 2008

Ehrbares Handwerk und Moderne

©2008/Dirk Ludwig


Der Hufbeschlag ist ein traditionelles und zweifellos ehrbares Handwerk. Er ist um die 2000 Jahre alt und hat sich in dieser Zeit, was die konkrete Technik selbst betrifft, kaum verändert. Darstellungen aus dem Sachsenspiegel im 11. Jahrhundert zeigen Arbeitsgänge, die auch heute noch in dieser Art vom Hufschmied durchgeführt werden. An der Frage jedoch, ob das Schmieden und mithin der Hufbeschlag eine Kunst sei scheiden sich die Geister. Eine Kunst, urteilte ein altes dänisches Buch sei das Schmieden nicht, schwierig schon, aber keine Kunst. Wir wollen das Buch nun nicht nachträglich verreißen aber es ist ein merkwürdiges Urteil. Vielleicht kannte der Autor keine Werke der Vergangenheit, vielleicht sah er nie die Vollkommenheit eines Schwertes aus der Hand eines Meisters oder hat er nie das Göttliche in einem vollkommenen Werkzeug schauen dürfen? Kunst ist die Übertragung der Empfindung des göttlichen Elementes auf die konkrete Welt des Menschen. In einem Bild, einer Kantate oder einem Gedicht ist dieser konkret werdende Blick des Schaffenden auf das, was er und wie er es erblickt verarbeitet. Und wenn der Schmied nun ebenso vorginge? Seine tiefste und reinste Empfindung in die Klinge eines Messers einarbeitete? Entstünde dann nicht auch ein Werk, dessen Formensprache uns zu dem Eingeständnis nötigte, es sei Kunst?!

Während das ehrbare Handwerk im Grunde immer ein schöpferischer Prozeß sein muß, bleibt die Maschinenarbeit in der bloßen Tätigkeit stecken, in der jede Schöpfung ausgeschlossen ist, weil der Arbeiter nur befüllt oder leert und den Prozeß selbst nicht mehr bestimmen kann. Dem Schmied ist sein Amboß heilig, weil er auf ihm sich selbst erkennen kann, dem Maschinenarbeiter ist seine Maschine Mittel zum Zwecke des Broterwerbs. Die Fabrik der Moderne schuf durch ihr Bedürfnis nach regelmäßiger Routine des Arbeiters den Gegensatz zur Tradition des Handwerks, dessen Arbeit zwar in gewissen Fällen auch Routine verlangt, aber diese in einen anderen Bezug zur Wirklichkeit setzt. Ein Schmied schmiedet Nägel mit der Hand und jeder dieser Nägel ist ein Unikat, weil die Empfindungen des Schmiedes sich in diesem Werkstück spiegeln. In einer Fabrik ist die Empfindung des Arbeiters einerlei, jeder Nagel ist gleich! Kein Ende ein wenig dicker oder schmaler, keine Kante etwas runder oder eckiger. In der Moderne entsteht der Gegensatz zwischen Handwerk und Maschinenarbeit durch die Gier des Kaufmanns und des Konsumenten. Beide, Kaufmann und Konsument ziehen hier an einem Strang und, obwohl es nicht in ihrem Interesse liegt, verändern sie und schaffen ein neues Maß.

Im ehrbaren Handwerk galt seit alters her der Grundsatz, wo zwei durch Arbeit satt werden können, sollen auch zwei diese Arbeit erledigen, in einer Fabrik gelten diesbezüglich andere Gesetze. Wo noch mehr mit weniger Arbeitern produziert werden kann, muß das geschehen, weil die Fabrik, die eine Wurzel in der Werkstatt hat, eine andere in der Gier, keine innere Struktur mehr aufweist, die dem Menschen entspricht und sie dadurch dem Menschen entfremdet ist und ihn selbst, wo er auf sie angewiesen ist, entortet. Ganz anders im traditionellen Handwerk. Der Ort ist immer der Mensch, nicht die Maschine. Es bleibt dem Meister überlassen den Rhythmus der Arbeit mit dem Handhammer anzustimmen und die Gesellen stimmen als Zuschläger in das nun anhebende Lied der Schmiede ein. Es ergibt sich aus dem Willen und Können des Meisters das Lied, nicht aus dem Bedürfnis der Maschine oder des Kaufmanns, der sich die Maschine dienstbar macht.

Kaum verwunderlich kommen aus dem angelsächsischen Raum Überlegungen, wie der Profit für Hufschmiede am besten zu erhöhen sei. Es werden Werkzeuge erfunden oder so angepaßt, daß auch der Hufschmied ganz allein arbeiten kann, er benötigt keinen Helfer mehr. Das ist nützlich in Zeiten, in denen die Kaufkraft allgemein stark zurückgeht, gleichzeitig zerstört es jedoch soziale Bindungen, es unterwandert das alteuropäische Prinzip des Fides und kehrt es um in die allgemeine Felonie, die heute allerorten die Runde macht. Wenn der Meisterzwang zerstört wird gibt es einen kurzfristigen Effekt, weil mehr "Handwerker" ganz schnell ein "Geschäft" eröffnen können und es gibt einen langfristigen Effekt, der darin besteht, daß soziale Strukturen zerstört und auf das Substitut Konsum gelenkt werden. Ganz abgesehen davon macht die Pfuscherei, einmal mehr von Nordamerika ausgehend das größte Geschäft. Sie wissen schon, jeder kann jedes Werkzeug kaufen und selbst an allem basteln, ob er es kann oder nicht ist ohne Belang, weil es nicht um ein haltbares Werk geht. Später werden auch die Werkzeuge selbst immer billiger produziert, damit das entstehende Werk so schnelllebig wird, wie es sein Werkzeug auch ist. Es wird die private Pfuscherei zur neuen Kultur erhoben und die allgemeine Kulturlosigkeit gefördert.

Keine Kommentare: